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Stolpersteine Konstanz

Navigation: Steine nach Strassen > Döbelestr. 4, Kurt THANHAUSER

Verlegungsrede Silvia THANHAUSER (Tochter von Kurt Thanhauser)

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Ich stehe hier, und bin in diesen Tagen mit meinem Sohn durch Konstanz spazieren gegangen, wo meine Familie sehr oft gegangen ist.

Ich bin sehr berührt, dass ich die Möglichkeit habe, hier zu sein.

Ich bedanke mich bei allen, die mir dabei geholfen und mich wie auch meinen Sohn so liebevoll empfangen haben.

Und dass sie uns die Gelegenheit gaben, einen Teil der Thanhauser- Familie zusammen zu bringen.

Obwohl mein Vater und seine Brüder mit der nationalsozialistischen Machtergreifung Deutsch­land verlassen mussten, aus dem einzigen Grund, weil sie Juden waren, hat mein Vater sein Vaterland nie vergessen.

Mit diesem schmerzhaften Beschluss hat er seinen drei Söhnen das Leben gerettet.

Alle drei konnten eine Familie bilden, aber leider getrennt.

Mein Vater [Kurt THANHAUSER] in Argentinien und meine zwei Onkel  [Ernst Thanhauser und Heinz Karl (Chaim) Thanhauser] in Palästina.

Mein Vater schaffte es, im Jahr 1940 meine Großmutter [Martha Thanhauser] nach Argentinien bringen, wo sie im Alter von 83 Jahren starb.

 

Das Schicksal meines Großvaters [Hans Thanhauser] war leider ganz anders, er wurde in der Kristallnacht verhaftet und nach Dachau gebracht; nach wenigen Wochen wurde er am 4. Dezember ermordet. Meine Großmutter Martha musste bezahlen, um seine Asche zu bekommen.

Sein Grab ist im jüdischen Friedhof in Kreuzlingen, wo wir ihn gestern besucht haben.

Meine Mutter Lotte Metzger aus Frankfurt ist auch bei einer jüdisch-deutschen Familie aufgewachsen, deshalb wollten beide, dass mein Bruder und ich die deutsche Sprache erlernen. Aus diesem Grund haben sie uns in die Pestalozzi-Schule geschickt, wo fast alle Schüler jüdischer Abstammung waren.

Auch meine Kinder haben diese Schule besucht.

Vor zwei Wochen haben wir  zu Ehren meines Bruders, [Juan Miguel Thanhauser, s. auch hier],  in der Pesta­lozzi-Schule einen Zitronenbaum gepflanzt.

Sogar meine beiden Enkelkinder waren dabei.

Es war ein schöner und emotionaler Moment.

Leider wurde Juan Miguel, so hieß er, während der Diktatur im Juli 1978 entführt. Er wurde nur 22 Jahre alt.

Er war in seiner Jugend ein pazifistischer Aktivist, der für eine bessere Welt kämpfte.

Ich nenne ihn heute auch, denn er ist heute auch hier und immer in unseren Herzen.

Das Schicksal meines Vaters war sehr schmerzhaft: Im Zeitraum von genau 40 Jahren hat er seinen Vater und seinen Sohn verloren.

Heute ist für mich kein trauriger Tag, weil ich zusammen mit meinem Sohn, der mich begleiten wollte, das Andenken meiner Familie ehren kann.

Nochmals vielen Dank für diese Einladung, die mein Herz erfreut hat. Ich nehme sehr schöne Erinnerungen über diese herrliche Stadt mit nach Hause.

Zum Schluss will ich noch sagen, was im Talmud steht:

Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist.

Vielen Dank!