Please enable JavaScript to view this site.

Stolpersteine Konstanz

Navigation: Steine nach Strassen

Otto VOGLER, 1876 - 1941

Themen Zurück Top Vor Menü

1876: geb. am 18.10., Leustetten / Amt Überlingen

1934: Urteil: 1 Monat Haft

1936: Urteil: 6 Monate Haft

1938: Verhaftung

1939: Urteil: 2 Jahre Zuchthaus

1940: KZ Dachau

1941: KZ Neuengamme

1941: KZ Dachau

1941: tot am 14.12.

Bild grösser: anklicken

Trompeterschlössle,
Konstanzerstrasse 123,
Tägerwilen/Schweiz  
heute (2015)

Bild grösser: anklicken

Stolperstein für  Otto VOGLER
verlegt am 13.09.2015

 

Otto VOGLER wurde am 18.10.1876 in Lampach, Gemeinde Leustetten, Amt Überlingen, geboren.

Seine Eltern betrieben eine kleine Landwirtschaft. 1896 wurde er zum Wehrdienst eingezogen, nach fünf Monaten wegen eines Beinbruchs aber vorzeitig entlassen. Danach arbeitete er als Haus- und Empfangsdiener in Südfrank­reich, London und Paris.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges arbeitete Vogler in der Schweiz, meldete sich aber 1915 freiwillig zum Militär. Im Winter 1916/17 erkrankte er an der Front in Mazedonien an Malaria, nachdem er vorher bei Kampfhandlungen schon mehrfach verletzt worden war. Er wurde von der Front abgezogen und war dann als Dolmetscher tätig. Otto Vogler war Träger des Ehrenkreuzes für Frontkämpfer (gestiftet 1934 von Reichspräsident Hindenburg für alle Teilnehmer des Ersten Weltkrieges) und des Verwundeten­abzeichens (gestiftet von Kaiser Wilhelm II. im März 1918).

Im Oktober 1920 heiratete Vogler in Baden-Baden die Schweizer Staatsbürgerin Adele Zwahlen (geb. am 13.03.1890 in Matten bei Interlaken). Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Otto Konrad, geb. 1921, fiel 1943 in Russland, Adolf Arnold, geb. 1922, starb 1949 in russ. Kriegsgefangenschaft, Adelheid Ida (1924-1983) und Friedrich Max (1926-1950). Alle vier Kinder blieben ohne Nachkommen.

1922 übersiedelte die Familie Vogler-Zwahlen von Leustetten/Überlingen, dem Geburtsort von Otto Vogler, nach Durlach bei Karlsruhe. Hier erwarb er die Gastwirtschaft „Schwarzer Adler“.  Zwei Jahre später verkaufte er die Gastwirtschaft mit erheb­lichem Gewinn. Während der Inflationszeit 1923 verlor er jedoch sein gesamtes Vermögen.

In Durlach betrieb er anschließend ein Kolonial­waren­geschäft, mit dem er aber nicht erfolgreich war. Im Juni 1924 zog er von Durlach nach Konstanz und nahm im vornehmen Inselhotel die Stelle eines Bahnportiers an, d.h. er holte Hotelgäste vom Bahnhof ab. Während der großen Arbeitslosigkeit in Deutschland 1930 verlor er seine Stelle im Inselhotel.

Im September 1931 übersiedelte er mit seiner fünf­köpfigen Familie in den Heimatort seiner Frau nach Matten/Interlaken. Ende Januar  1932 kam er nach Konstanz zurück und wohnte bis Ende Mai 1932 in der Döbelestrasse 14.

In der Altstadt von Konstanz, in der Hohenhaus­gasse 10, eröffnete er wenig später ein kleines Geschäft für Butter, Eier und Käse und verkaufte seine Produkte auch regelmäßig auf dem Konstanzer Wochenmarkt.

hmfile_hash_455bf310

Hohenhausgasse 10
heute (2015)

 

Anfang Mai 1932 übersiedelte Otto Vogler mit seiner Familie von Konstanz nach Tägerwilen/TG, einem kleinen Schweizer Dorf nahe der deutschen Grenze.

 

hmfile_hash_dcb1c625

Einträge im Einwohnermeldebuch Tägerwilen/Schweiz für Otto VOGLER, seine Frau Adele ZWAHLEN und ihre Kinder.
Die Anmeldung in Tägerwilen erfolgte zum 06.05.1932

 

 

 

Er wohnte im „Trompeterschlössle“, wenige Meter von der Grenze entfernt, in dem ein Restaurant mit Biergarten, eine Bäckerei und eine Feinkosthandlung untergebracht waren.

Das Trompeterschlössle war in der Zwischen­kriegs­zeit ein beliebtes Ausflugslokal der Konstanzer. In den letzten Kriegstagen, am 24.04.1945, fanden hier durch Schweizer Vermittlung Geheim­verhandlungen zwischen deutschen und franzö­sischen Vertretern statt. Man einigte sich auf die bedingungslose Kapitulation von Konstanz; so blieb die Stadt  von Kampfhandlungen und vor der Zer­störung durch die französische Armee verschont.

Otto Vogler war seit 1933 Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF), der nationalsozialistischen Ein­heitsgewerkschaft, der alle Arbeitgeber und Arbeit­nehmer angehören mussten. Wenngleich sein politisches Weltbild eher diffus war, war er mit Sicherheit ein Gegner des National­sozialismus. Wegen staatsfeindlicher Äußerungen unter Alkohol­einfluss  in einer Gastwirtschaft wurde Otto Vogler im April 1934 vom Amtsgericht Konstanz wegen groben Unfugs zu einem  Monat Haft verurteilt.

Im April 1936 stand er erneut vor Gericht, diesmal vor dem Sondergericht Mannheim. Das Gericht verurteilte ihn zu 6 Monaten Gefängnis, weil er, wie es im Paragraf 2 dieses Gesetzes heißt, „öffentlich gehässige, ketzerische und von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates, der NSDAP und über eine von ihnen geschaffene Einrichtung gemacht“ habe. Beide Strafen wurden ihm per Amnestie erlassen.

 

 

Nach einem Streit mit seiner Frau über geschäftliche Fragen besuchte Vogler Anfang Oktober 1938 mehrere Gasthäuser diesseits und jenseits der Grenze; in der Schweizer Gastwirtschaft „Zum Zollhof“ in Emmishofen/TG machte Vogler dann unter Alkoholeinfluss abfällige Bemerkungen über Göring, Hitler und Goebbels, etwa in der Art: “Wir haben in Deutschland nur Dummköpfe in der Regierung“ oder „Die  deutsche Staatsführung hat die Arbeiter verraten“. Anwesende deutsche Gäste denunzierten ihn bei der Gestapo.

Wenige Tage später wurde Otto Vogler in Konstanz in seiner Käsehandlung in der Hohenhausgasse 10 verhaftet. Die lange Dauer von sieben Monaten Untersuchungshaft begründete das Gericht mit der Erstellung eines „umfangreichen Gutachtens des ärztlichen Sachverstän­digen“. Am 09.06.1939 schließlich wurde Otto Vogler vom 2. Senat des Volksgerichtshofes in Konstanz der Prozess gemacht.

Das Gericht unter dem Vorsitz von Volksgerichtsrat Dr. Albrecht war mit hochrangigen Nazis besetzt: Daniel Hauer, Mitglied des nationalsozialistischen Reichstags, SA-Brigadeführer und an zahlreichen Todesurteilen beteiligt, Volksgerichtsrat Ernst Jenne, NSDAP Mitglied seit 1930, Ludwig Fischer, Gauleiter des Distrikts Warschau und 1947 als Kriegs­verbrecher in Warschau hingerichtet sowie SS-Sturmbannführer Wittmer, der ebenfalls an mehreren Todesurteilen mitwirkte. Ankläger war Dr. Otto Nugel, SS-Obersturmführer und Oberstaatsanwalt  bei der Reichs­anwaltschaft. Otto Vogler wurde durch einen Anwalt vertreten. Es war das einzige Verfahren, das von Richtern des Volksgerichtshofes Berlin in Konstanz geführt wurde.

Vogler wurde zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, wobei die Untersuchungshaft auf die Haftstrafe angerechnet wurde.

vogler_otto_urteil_kl

Urteil gegen Otto VOGLER: 2 Jahre Zuchthaus für abfällige Äusserungen über Nazi-Grössen.

(Für die damalige Zeit eine "milde" Strafe !)
 
Quelle: Bundesarchiv Berlin

 

 

Das Urteil fiel wohl so milde (für die Nazi-Zeit) aus, weil der ärztliche Gutachter Dr. Ferdinand Rechberg, Leiter des Konstanzer Gesundheitsamtes, Vogler bescheinigte, dass er seine abfälligen Äußerungen im Zustand „erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit“ gemacht habe. Allerdings hätte Rechberg auch auf volle Unzurechnungsfähigkeit erkennen können, weil der Angeklagte Vogler an besagtem Tag, an dem er sich abfällig über das NS-Regime geäußert hatte, mindestens „zwei bis drei Liter Wein getrunken“ habe und sich „zur Tatzeit in einem Zustand der Berauschtheit befand“. Wegen der verminderten Zurechnungsfähigkeit Voglers sah das Gericht von der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte ab.

Das Gericht betonte aber bei der Urteilsverkündung, dass Vogler durch seine „bösartigen Äußerungen eine schwere Gefahr für das Ansehen des deutschen Volkes herbei­geführt“ habe. Es ist denkbar, dass die NS-Justiz mit diesem Verfahren in Konstanz und dem relativ milden Urteil gegen einen Deutschen, der zudem mit einer Schweizerin verheiratet war, ein positives Bild vom „neuen“ nationalsozialistischen Deutschland bei seinem Schweizer Nachbarn vermitteln wollte.

Nachdem Otto Vogler seine Haftstrafe  im Zuchthaus Ludwigsburg verbüßt hatte, wurde er am 21.11.1940 erneut verhaftet und ohne Gerichts­verfahren in das eingeliefert. In Dachau hatte er die Häftlingsnummer 21609.

Ende Januar 1941 wurde Vogler in das KZ Neuen­gamme bei Hamburg verlegt.

 

hmfile_hash_ed89b2fc

KZ Neuengamme
Denkmal "Sterbender Häftling"
von Francoise Salmon

Bild: Sören Brandes

 

 

Aber schon im April 1941 wurde er nach Dachau zurückverlegt.

Zwischen 1940 und 1943 ließ die SS kranke und geschwächte Häftlinge aus dem KZ Neuengamme in sogenannten „Invalidentransporten“ in das KZ Dachau bringen. Wahrscheinlich war Vogler unter diesen Häftlingen, die der schweren körperlichen Arbeit in der SS-eigenen Ziegelei, in der Rüstungs­industrie und beim Bau militärischer Anlagen (sogen. Friesenwall: Bau von Befestigungen und Panzer­gräben gegen eine Invasion der Alliierten an der Nordsee) nicht gewachsen waren.

Im KZ Dachau starb Otto Vogler am 14.12.1941.

Als Todesursache wurde in der Sterbeurkunde, wie bei unzähligen anderen Opfern auch, formelhaft „Versagen von Herz und Kreislauf bei Darmkatarrh“ angegeben.

Seine Leiche wurde im Krematorium des KZ Dachau eingeäschert und die Asche auf dem Gelände verstreut. Es gibt daher keine Grabstätte.

 


 

Nach dem gewaltsamen Tod von Otto Vogler übersiedelte seine Frau 1942 mit den beiden Kindern Adelheid Ida und Friedrich Max zu ihrer Schwester nach Matten bei Interlaken in die Schweiz.

Nach dem Krieg erhielt Adele Vogler-Zwahlen von der Bundesrepublik eine Witwenrente und eine finanzielle Entschädigung zugesprochen.

Angesehene Konstanzer Bürger wie Hans Großhans, der Sohn des von den Nazis verfolgten ehemaligen badischen Landtagsabgeordneten Karl Großhans, oder Hermann Fritz, stadtbekannter Küfermeister und Weinhändler, erklärten 1949 vor Gericht, dass Otto Vogler „ein entschiedener Gegner des National­sozialismus“ gewesen sei.

Adele Zwahlen, Otto Voglers Frau, starb hochbetagt am 22.02.1981 in Interlaken.

 

Recherchen: Uwe Brügmann

Patenschaft:  Hans-Peter Koch

Quellen:

Gemeindearchiv Tägerwilen/TG, Schweiz

Archiv KZ Dachau

Archiv KZ Neuengamme

Stadtarchiv Konstanz

Staatsarchiv Freiburg, Entschädigungsakte Vogler F 196/1, Nr. 4300

ITS Arolsen

Bundesarchiv Berlin, R 3017/11J 131/38