28.09.1883: Einweihung 01.11.1936: Brandstiftung 10.11.1938: verbrannt, gesprengt |
Sigismundstr. 19 heute |
Stolperstein für die ehemalige Konstanzer Synagoge |
Die Konstanzer Synagoge wurde nach den Plänen des Architekten und Stadtbaumeisters Holzmann aus Konstanz errichtet. Die Einweihung fand am 28.09.1883 statt, zahlreiche Vertreter der staatlichen und städtischen Behörden und der christlichen Kirchen waren anwesend. Synagoge Konstanz 1883 Erste BrandstiftungIn der Nacht zum 1. November 1936 fand in Konstanz der früheste Versuch im Dritten Reich statt, ein jüdisches Gotteshaus durch Brandstiftung zu zerstören. Durch ein kleines Fenster an der Rückfront drangen unbekannte Täter ein und setzten einen Teil der Inneneinrichtung in Brand. "An fünf Stellen stapelten die Täter im Inneren Thora-Rollen, liturgische Gewänder und Holzteile aufeinander und entzündeten sie. Kronleuchter, Gebetsteppiche und mehrere für den religiösen Ritus bestimmte Zylinderhüte wurden stark beschädigt oder völlig zerstört" (Engelsing, S. 150). Das Feuer griff schnell um sich. Als die Feuerwehr, alarmiert durch einen Passanten, wenige Minuten nach fünf Uhr morgens eintraf, hatte das Feuer den Innenraum erfasst und vor allem an der Orgel große Schäden angerichtet. Der Toraschrein, die Orgel und vier Fächer im Synagogengestühl, in denen die Gebetsmäntel und Gebetsbücher aufbewahrt wurden, verbrannten. Durch die Hitze wurden der Verputz an den Innenwänden und das Gestühl beschädigt. "Am Tag nach dem Brand wandte sich der Synagogenrat an das Kommando der Feuerwehr, um für das 'rasche Eingreifen und ihre so tatkräftige opferwillige Hilfe' den 'innigsten Dank' auszusprechen. Der hilfsbereiten Mitwirkung der Wehr sei es zu danken, daß einer weiteren Zerstörung der Synagoge Einhalt geboten werden konnte, schrieb Synagogenrat Dr. Bloch." (a.a.O., S. 151). Anders als beim zweiten Synagogenbrand 1938 erstattete die Jüdische Gemeinde Anzeige. Trotz umfangreicher Ermittlungen (Kriminal-Sekretär Tscheulin) wurden keine Täter gefaßt (a.a.O., S. 151ff).
Brandstiftung und Zerstörung 1938(siehe dazu auch die ausführliche Darstellung von
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von SS-Männern in Brand gesteckt und der Feuerwehr wurde nicht gestattet, den Brand zu löschen. Da die Synagoge nicht wirklich brannte, wurde sie mit Hilfe der SS-Standarte 2 „Germania“ aus Radolfzell gesprengt. An diesem Tag, dem 10. November 1938, wurden etwa 60 (jüdische) Konstanzer frühmorgens zwischen 5.00 und 6.00 Uhr durch Kriminalpolizei und Gestapo verhaftet. Die Männer wurden in die Gestapo-Dienststelle gebracht. Dort wurden viele brutal misshandelt. Gegen Abend wurden einige der älteren Männer entlassen, die übrigen Inhaftierten wurden in einem Sonderzug von Konstanz aus in das KZ Dachau verschleppt. Hans THANHAUSER wurde dort am 04.12.1938 ermordet. "Die meisten Verhafteten kehrten seelisch und körperlich gebrochen nach einer Haftzeit von vier Wochen bis zu drei Monaten zurück. Sie mussten sich schriftlich verpflichten, auf Ersatzansprüche gegen das Deutsche Reich zu verzichten und innerhalb weniger Monate auszuwandern" (Klöckler, S, 325f). Ein Mitgefangener erinnert sich an die Haftzeit: »Aus eleganten wohlgenährten Persönlichkeiten waren verängstigte Elendsgestalten geworden, manche mit Verbänden am Körper [...] Wo auch immer sie nach ihrer Entlassung erscheinen würden, mussten sie Aufsehen erregen: die Köpfe kahl geschoren, die Angst noch im Gesichtsausdruck und ihre Kleidung zu groß, zu weit und durch die Desinfektion völlig verknittert« (ebda.) |
Wenige Tage nach dem 10. November 1938 hielt ein Augenzeuge fest: »Die in ihren Wohnungen Belassenen, deren Verlassen Ihnen zum Teil verboten worden ist, sind der Verzweiflung nahe. Völlige Ungewissheit über das Schicksal der Männer und Angst vor der nächsten Zukunft beherrscht sie. Von Verwandten in anderen Orten erhalten sie Telefonanruf von Telegramme, ob sie zu ihnen zum Wohnen kommen könnten. – Die wenigen, noch bestehenden jüdischen Geschäfte wurden von der Polizei geschlossen« (ebd.) In einem Tresorraum fand man den Kirchenschatz, darunter "wertvolle Talare, Kultgegenstände, goldbestickte Tafeln und ein Baldachin, aber auch zwei Goldkronen, ein kleiner Goldturm, mehrere silberne Kultgegenstände, Becher und ein Silbertablett. ... Die Gold- und Silberteile hatte aber die Gestapo bereits im Dezember 1938 in der Asservatenkammer der Kriminalpolizei ohne Angabe von Gründen abgeholt" (Engelsing, S. 156)
Schon am 10. November kam vom Chef der Ordnungspolizei, General Daluege, aus Berlin die Weisung, den Brandstiftungen praktisch keinen Einhalt zu gebieten und auch nicht zu ermitteln. Einer Weisung aus dem Justizministerium gemäss wurde das Verfahren im Mai 1939 eingestellt, die Straftaten blieben ungesühnt.
Synagoge Konstanz Quelle: Erich Bloch: Geschichte der Juden von Konstanz im 19. und 20. Jh. Konstanz 1971. 1996², S. 148
Der Ort der Zerstörung blieb zunächst als Schotterfeld unberührt. "Im Februar 1943 erwarb die Stadt das Gelände für 15.000 Reichsmark ... Gegen Kriegsende wurde dort ein Luftschutzdeckungs-Graben errichtet. Nach Kriegsende ließ Rechtsrat Dr. h.c. Knapp auf Ansuchen der neuen jüdischen Gemeinde den Platz im Januar 1946 als Gedenkstätte herrichten, die bald darauf wieder von Unkraut überwuchert war. Zu dieser Zeit machte ein Auslands-Konstanzer ein großzügiges Angebot: William Graf, in Konstanz-Staad geborener Brauereifachmann im Aufsichtsrat der jüdisch-amerikanischen Firma Wallerstein in New York, bot bei seinem ersten Konstanz-Besuch nach Kriegsende an, die zum Wiederaufbau der alten Synagoge erforderlichen Mittel zu beschaffen. … Auf dieses Angebot hin versammelte der Oberbürgermeister fünf oder sechs Überlebende und zugewanderte Mitglieder der kleinen jüdischen Gemeinde, um sie von der Möglichkeit des Wiederaufbaus zu unterrichten. Nach dem mündlichen Bericht William Grafs von dieser Sitzung … konnten sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinde nicht über das Angebot einigen: Während die überlebenden Konstanzer Gemeindemitglieder erfreut reagierten, legten die religiös traditionell orientierten, aus Osteuropa zugewanderten Überlebenden Wert auf die Erbauung einer orthodoxen Synagoge. Diese sollte keine Orgel haben und baulich die Geschlechtertrennung deutlich hervorheben. Nachdem in dieser religiös begründeten Auseinandersetzung keine Einigung gefunden werden konnte, zog Graf sein Angebot zurück, weil er auf der unveränderten Wiederherstellung der traditionsreichen Konstanzer Synagoge bestanden hatte" (Engelsing, S. 157f). Die Synagoge wurde nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut. In dem Geschäftshaus Sigismundstraße 19 befinden sich allerdings seit 1964 jüdische Gebetsräume mit einer Mikwe (jüdisches Tauchbad).
Die Räume sind die einzige jüdische Privatsynagoge in Deutschland (siehe auch hier).
Gebetsraum im Haus Sigismundstr. 19 Foto: Peter Stiefel, http://www.hagalil.com/2009/09/konstanz/
Recherche: Maik Schluroff Patenschaft: Beate BRAVMANN-Muhlfelder |
Quellen (u.a.): Engelsing, Tobias: Im Verein mit dem Feuer. Die Sozialgeschichte der Freiwilligen Feuerwehr von 1830 bis 1950. Libelle-Verlag. ISBN 978-3-909081-16-5 (vergriffen). Klöckler, Jürgen „Selbstbehauptung durch Gleichschaltung. Die Konstanzer Stadtverwaltung im Nationalsozialismus“. Thorbecke: Ostfildern 2012, S. 315 - 328. http://www.hagalil.com/archiv/2014/04/09/konstanz-11/ (Aufruf Mai 2014)
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