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Stolpersteine Konstanz

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Moritz Max FÜRST,  1886 - 1942

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geb. 01.04.1886

"SCHUTZHAFT" 1938

DACHAU

DEPORTIERT 1940 GURS

INTERNIERT DRANCY

1942 AUSCHWITZ

ERMORDET 9.9.1942

 

 

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Rheingasse 15
heute (Juli 2016)

Foto: © Wolfram Mikuteit

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Stolperstein für Moritz Max FÜRST
verlegt am 03.07.2016

Ehefrau: Salomea FÜRST, Tochter: Anna FÜRST

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Moritz FÜRST (links) mit Tochter Annie und Frau Salomea
1930er Jahre
Quelle: Privatarchiv Allan und Linda Kurtz

 

Moritz Moses Fürst, der sich in Konstanz Max Fürst nannte, wurde am 1. April 1886 als Sohn von Chajim und Chana Ferszt in Warschau, Polen, geboren.

Nach Konstanz kam er vermutlich 1912, erstmals taucht er in alten Einwohnerkarteien mit dem Zuzugs­datum 11. September 1912 auf. Die Anmeldung erfolgte für ihn und seine Frau Salomea, geb. Schmulewitz, in der Rosgartenstraße 8.

Vermutlich lebte zu diesem Zeitpunkt sein Schwieger­vater bereits in Konstanz, ein Schneider Schmolewitz taucht in alten Adressbüchern erstmals 1907 und dann ab 1911 auf.(1)  Ein in Konstanz aufgenommenes Hochzeitsfoto von Moritz Fürst und Salomea lässt vermuten, dass die beiden erst in Konstanz geheiratet haben.

Am 12. Juli 1913 wird ihr einziges Kind, Tochter Anna in Konstanz geboren. 1915 lebte die Familie vorüber­gehend in der Schwedenschanze 17, dann aber bei der inzwischen verwitweten Schwieger­mutter Berta Schmulewitz in der Inselgasse 5.

Ab spätestens Ende 1919 wohnte Moritz Fürst mit der beruflichen Bezeichnung Handelsmann als Mieter in der Rheingasse 15. Um 1921 erwirbt er das Haus in der Rheingasse 15 und nennt sich fortan Max Fürst.(2)

Im Erdgeschoss des Hauses in der Niederburg führt er nun ein „Volksmagazin“, später als „Max Fürst & Co – Ausstattungs- und Kreditgeschäft“ eingetragen.

 

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Geschäftskarte der Firma Fürst, Rheingasse 15
(Quelle: Staatsarchiv Freiburg)

 

Die Familie lebt im ersten Stock des Hauses in einer Vierzimmerwohnung. In dieser Zeit vergrößert sich der Laden und die Anzahl der Mieter nimmt zu, auch da Max Fürst durch Umbauarbeiten weitere Wohnmöglich­keiten im Vorder- und Hinterhaus schafft.

In seinem Ausstattungs- und Kreditgeschäft verkauft Max Fürst Tisch- und Bettwäsche, Unterwäsche, Herren- und Arbeitskleidung, aber auch Schuhe und diverse Wollwaren. Zudem handelt er mit gebrauchten Möbeln, auch die vermieteten Räume wurden zumeist möbliert angeboten. Max Fürst selber sammelte mit Leidenschaft Antiquitäten, wie seine Tochter später berichtete.

Sein Geschäft war einträglich, Max Fürst beschäftigte mindestens zwei Angestellte, auch seine Tochter arbeitete als Lehrling und Kontoristin im väterlichen Unternehmen, bei dem Kunden ihre Ware auch über Kredit erwerben konnten.

Bereits kurz nach der Machtergreifung und mit der ersten Boykottaktion 1933 sank der Umsatz des Ladens massiv. Am 1. Dezember 1933 wurden Max Fürst, seiner Frau und seiner Tochter die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, ab diesem Zeitpunkt benutzte er wieder die polnische Schreibweise des Familiennamens: FERSZT.

Etwa ab 1937 wurde Max Fürst aus der Berufstätigkeit verdrängt. Im Einwohnerbuch der Kreishauptstadt Konstanz 1938 ist sein Unternehmen nur noch als An- und Verkaufsmagazin eingetragen, im Konstanzer Einwohnerbuch 1939 ist gar keine geschäftliche Aktivität mehr notiert.

Die endgültige Liquidation seines Geschäfts fand bis zum Frühsommer 1939 statt, im April 1939 musste die Familie auch Schmuck und Edelmetalle abgeben.

Nach der Reichspogromnacht und der Zerstörung der Konstanzer Synagoge am 10. November 1938 wird auch Max Fürst mit vielen weiteren jüdischen Männern aus Konstanz festgenommen, in die Gestapozentrale in die Mainaustraße verbracht und von dort am 12. November 1938 in sogenannter „Schutzhaft“ in das deportiert, wo er bis zum 6. Januar 1939 mit der Häftlingsnummer 23080 inhaftiert bleibt.

Im April 1939 kann Tochter Anne nach England ausreisen, von dort bemüht sie sich intensiv auch ihre Eltern und die Großmutter nach England zu holen. Dies gelingt jedoch nicht.

Ab spätestens 1939 werden weitere jüdische Bewoh­ner dem Haus in der Rheingasse 15 zugeteilt, so lebte hier bis zu ihrem Umzug nach Karlsruhe Sara Weinstein, sowie Hugo Weill und Robertine Moses.

Max Fürst wurde am 22. Oktober 1940 gemeinsam mit seiner Frau Salomea und seiner Schwiegermutter Berta Schmulewitz sowie weiteren 108 Juden aus Konstanz, darunter auch Hugo Weill und Robertine Moses, in das südfranzösische Internierungslager deportiert.

Auf der Deportationsliste nach Gurs wird er als Moses Ferszt eingetragen, unter Nationalität ist staatenlos vermerkt. Es wurde später berichtet, dass kurz nach der Deportation Nachbarn die Wohnung der Familie Fürst geplündert haben, viele Sachen wurden später wie der Besitz anderer jüdischer Bürger öffentlich versteigert. Das Haus selber wurde vom Deutschen Reich konfisziert. Im Einwohnerbuch der Stadt Konstanz aus dem Jahr 1943 ist als Hausbesitzer das Deutsche Reich, Reichsfinanz­verwaltung, eingetragen.

 

Aus Gurs kam Max Fürst 1941 in das Lager . Am 23. August 1942 wurde er mit seiner Frau nach überstellt und am 7. September desselben Jahres mit dem Transport Nr. 29 nach deportiert. Moritz Max Fürst war zu diesem Zeitpunkt 56 Jahre alt.

 

 

 

Höchstwahrscheinlich wurde er, wie der Großteil der mit ihm Deportierten, noch am Ankunftstag, dem 9. September 1942, in Auschwitz-Birkenau ermordet.

Auch wenn seine Deportation im September 1942 nachgewiesen ist, wurde sein Todesdatum gerichtlich für den 31. August 1942 festgelegt.

 

 

 

 

 

 

Recherche:
Schüler und Schülerinnen der Hegau-Bodensee-Seminargruppe „Spurensuche“:
Jessica Böhme, Franziska Eble, Paul Ellsiepen, Linus Kulman, Tim Kuppel, Gaia Quintini, Jasmin Ye mit Petra Quintini und Manuel Boxler

 

Patenschaft: Wolfram Mikuteit, Sabine Bade

ausführlicher zur Familie Fürst:
Allan Kurtz, The Search for Anni Ferszt and the Ferszt Family of Konstanz

Fußnoten:

1)  Die Konstanzer Adressbücher gaben immer den Einwohnerstand zu einem Stichtag im Oktober des Vorjahres an. Im Adressbuch der Großherzoglich Badischen Kreishauptstadt Konstanz für das Jahr 1907 taucht der Eintrag für den Schneidermeister Adolf Schmolewitz erstmals auf – in der Bodanstraße 16. Erst im Adressbuch der Kreishauptstadt Konstanz 1911 taucht der Name Adolf Schmolewitz, Schneider, wieder auf, jetzt in der Rheingasse 15. Hier ist er als einer von 17 Bewohnern des Hauses Rheingasse benannt. Im Adressbuch der Kreishauptstadt Konstanz 1912 findet man den Eintrag Schmolewitz, jetzt mit dem Vornamen Aron, in der Rosgartenstr. 8.

2)  Dies belegen auch sämtliche von ihm gefundenen schriftlichen Unterlagen, vorwiegend eigene Schreiben an die Behörden, aber auch kurze persönliche Notizen.

 

Quellen:

Dokumente Staatsarchiv Freiburg: Restitutionsakten StAF F196/1 Nr. 4322; StAF F166/3 Nr. 4021; StAF P303/4 Nr. 1139

Engelsing, Tobias (2015). Das Jüdische Konstanz. Blütezeit und Vernichtung. Konstanz: Südverlag

Stadtarchiv Konstanz: Adressbücher aus den Jahren 1906, 1907, 1908, 1909, 1910, 1911, 1912, 1913, 1914, 1916, 1920, 1922, 1925, 1927, 1929, 1930, 1931, 1933, 1934, 1935, 1936, 1937, 1938, 1939, 1943.

Stadtarchiv Konstanz: Angaben aus Microfiche Dateien der Einwohner (E-Mail von Mitarbeiterin Anne-Marie Sana vom 3.6. und 7.6.2016)

Stadtarchiv Konstanz: Bauakte 2689, Rheingasse 15.

Kurtz, Allen (2016). The Search for Anni Ferszt and the Ferszt Family of Konstanz, Germany: A Family Lost and Found. (Zur Verfügung gestellt von Angehörigen, A.K.)