1874 geb. in Konstanz 1938 Freitod |
Kreuzlinger Str. 5 heute |
Stolperstein für |
Bruder: Albert ROSENFELD
Siegfried Rosenfeld wurde am 1. Juli 1874 in Konstanz geboren. Seine Eltern waren der Tuchhändler Jakob Rosenfeld (1847-1905) und Emma, geb. Kiefe (1854-1931). Die Vorfahren der Familie Rosenfeld stammten aus Worblingen im Hegau. Jakob Rosenfeld, der Vater von Siegfried, war ein angesehener Bürger in Konstanz. 1893 ließ er sich in der Kreuzlinger Straße 5 ein repräsentatives Bürgerhaus bauen, das gleichzeitig auch der Firmensitz war. Er engagierte sich in vielfacher Weise für das Gemeinwohl: So war er Mitglied der freiwilligen Feuerwehr und saß seit 1880 mehrere Jahre im Bürgerausschuss für die Nationalliberale Partei. Auch in der Konstanzer jüdischen Gemeinde war er ein geschätzter Mann, war er doch mehrere Jahre Mitglied des Synagogenrats.
Siegfried hatte zwei Geschwister: Albert und Cäcilie. Cäcilie war mit Richard Erlanger verheiratet, dem einzigen Sohn des Textilfabrikanten Jakob Erlanger. Richard fiel im November 1917 an der italienischen Front. Seine Frau Cäcilie starb am 6. Juli 1931. Siegfrieds Bruder, Albert, wurde am 20. Oktober 1940 nach Gurs deportiert und starb dort am 5. November 1940 "an Erschöpfung".
Siegfried Rosenfeld lebte von seinem ererbten Privatvermögen, er war also „Privatier“, wie es damals hieß. Er wohnte mit seinem Bruder Albert im Elternhaus in der Kreuzlinger Straße 5. Beide Männer lebten zurückgezogen und waren unverheiratet. Das zweistöckige Haus in der Kreuzlinger Straße 5, zu dem ein 400 qm grosses Hofgrundstück gehörte, war gutbürgerlich eingerichtet, wie sich die Adoptivtochter des jüdischen Rechtsanwalts Eduard Frank, der weitläufig mit der Familie Rosenfeld verwandt war, erinnerte. Sie hatte 1938 die Brüder Rosenfeld öfter in ihrem Haus besucht. Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 wurden die Juden in Konstanz immer stärker ausgegrenzt, sowohl in beruflicher wie auch in privater Hinsicht. 1936 wurden die ersten Geschäfte in Konstanz „arisiert“, im Sommer desselben Jahres wurden in den städtischen Bädern Schilder mit der Aufschrift „Juden sind hier unerwünscht“ aufgestellt. Rechtsanwälte, Ärzte und Architekten wurden mit Berufsverbot belegt. In der Hussenstraße 21, mitten in der Stadt, hängten die Nazis einen sogenannten Stürmerkasten auf. Der Stürmerkasten war ein Wandkasten, in dem die Zeitung „Der Stürmer“ aushing, die in übelster Weise gegen die Juden hetzte. |
Viele Konstanzer Juden waren nach der Machtübernahme der Nazis ins Ausland geflohen. Warum nicht auch Siegfried Rosenfeld diesen Weg wählte, wissen wir nicht. Die finanziellen Mittel für die Emigration hätte er zweifellos gehabt; außerdem hatte er Verwandte im benachbarten schweizerischen Kreuzlingen. Vielleicht hoffte er bis zuletzt auf eine Besserung der politischen Verhältnisse. Viele Juden konnten sich einfach nicht vorstellen, dass Hitler lange an der Macht bleiben würde. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 verließen Hunderte Wiener Juden ihre Heimatstadt und versuchten von Konstanz aus in die Schweiz zu flüchten. Man kann mit Sicherheit annehmen, dass Siegfried Rosenfeld über die fürchterlichen Ausschreitungen in Wien gegen die Juden informiert war. Angesichts der offenen Gewalt hatten in Wien im März und April 1938 weit über hundert Juden den Freitod gesucht. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die Geschehnisse in Wien den Ausschlag für den Freitod von Siegfried Rosenfeld gegeben haben. Am 22. April 1938 erhängte er sich auf dem Speicher des elterlichen Hauses in der Kreuzlinger Straße 5. Sein Freitod kann als Akt der Resignation und Verzweiflung gegen die unerträglichen politischen Verhältnisse angesehen werden. Andererseits bewahrte ihn sein Freitod aber auch vor weiteren Demütigungen und dem Verlust seiner Menschenwürde. Da in den Akten nirgends von einer psychischen Erkrankung die Rede ist, kann man davon ausgehen, dass der Grund für seinen Freitod im immer brutaleren Antisemitismus der Nazis zu suchen ist. Für die Annahme, dass Siegfried Rosenfeld ein Opfer der Nazis war, spricht auch die Tatsache, dass er sowohl in der Dokumentation des Bundesarchivs über die Verfolgung der Juden in Deutschland als auch vom Dokumentationszentrum über den Holocaust, „Yad Vashem“, in Jerusalem als Nazi-Opfer genannt wird.
Ein einfacher Grabstein auf dem Konstanzer jüdischen Friedhof kündet von seinem tragischen Schicksal.
Bild (April 2020): Uwe Brügmann
Recherche: Uwe Brügmann Patenschaft: Alexander Stiegeler |
Quellen: Staatsarchiv Freiburg, Akte F196/1, 14775 Stadtarchiv Konstanz |