1940 Deportiert 1940/41 GURS 1941/1942 Les Milles 1942 DRANCY 1942 AUSCHWITZ ERMORDET |
Schützenstr. 16 heute |
Stolperstein für Hans PICARD |
Mutter: Melanie PICARD
Hans Julius Picard wurde am 22.3.1910 als Sohn von Ludwig und Melanie Picard in Konstanz geboren. Er hatte keine Geschwister. Sein Vater betrieb in der Schützenstraße 16 eine Darm- und Gewürzgroßhandlung.
Briefkopf der Darmgroßhandlung von Ludwig Picard Quelle: Stadtarchiv Konstanz (S I 306)
Das Geschäft befand sich im Erdgeschoss des Hauses und bestand aus 4 Geschäftsräumen und einem angebauten Verkaufsraum sowie einem Lager für Därme im Hof. Die Familie wohnte im selben Haus. Als Ludwig Picard 1923 starb, war Hans erst 13 Jahre alt.
Das Grab von Ludwig PICARD auf dem Konstanzer Friedhof.
Melanie Picard betrieb das Geschäft nach dem Tod ihres Mannes mit Unterstützung des langjährigen Buchhalters Moser weiter, der auch die Funktion eines Geschäftsführers innehatte.
Hans wurde Kaufmann und stieg in den Betrieb ein, er übernahm die Reisetätigkeit, arbeitete aber auch zeitweise vor Ort im Geschäft mit. Später führte er die 1932 gegründete Zweigniederlassung in Kreuzlingen. Er hatte ein Dauervisum, das ihm jederzeit den Grenzübertritt ermöglichte. Als er vom Bezirksamt Konstanz aufgefordert wurde, zur Verlängerung des Visums seinen Pass persönlich vorzulegen, sprach er auf dem Amt vor. In Konstanz jedoch wurde ihm der Pass abgenommen und der weitere Grenzübertritt untersagt. Dadurch war Hans Picard gezwungen, die Kreuzlinger Firma aufzugeben, sie wurde liquidiert. 1938 musste auch das elterliche Geschäft in Konstanz verkauft werden. Eine Zeit lang war Hans Picard unter dem neuen Geschäftsführer Wilhelm Mayer dort noch weiter beschäftigt. Am 22. Oktober 1940 wurde Hans Picard zusammen mit seiner Mutter nach Gurs in Südfrankreich deportiert. Auf der Karteikarte des Lagers Gurs ist ein Krankenhausaufenthalt vermerkt, Näheres ist nicht bekannt.
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Karteikarte Hans Picard im Lager Gurs Quelle: Archives départementales des Pyrénées Atlantiques
Von Gurs aus wurde Hans Picard am 31.3.1941 nach Les Milles verlegt, das als Transitlager vorwiegend für Männer diente, während seine Mutter im „Hôtel Bompard“ in Marseille untergebracht war.
Ab und zu konnten sich Mutter und Sohn noch sehen, bevor sich ihre Wege dann endgültig trennten. Karteikarte Hans Picard im Lager Les Milles Quelle: Archives départementales des Bouches-du-Rhône (142 W 32 Camp des Milles, internés: fichier de Li à R, 1940 – 1942)
Hans Picard lebte von April 1941 bis August 1942 im Lager Les Milles. Von dort aus wurde er zunächst ins Sammellager deportiert und schließlich am 17. August mit dem 20. Transport des BDS Frankreich (Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes) weiter nach Auschwitz.
Auschwitz-Birkenau, August 2022 © Birgit Lockheimer
Hans Picard starb am 26.9.1942 um 9.25 Uhr im Konzentrationslager . Der Arzt, der seinen Tod feststellte, war ein gewisser Dr. Kremer. Sein Lagertagebuch ist erhalten und gilt als einer der furchtbarsten Prosatexte des 20. Jahrhunderts in deutscher Sprache. Als Todesursache des zweiunddreißigjährigen Hans Picard gab Dr. Kremer „Herzwassersucht“ an.
Recherche: Birgit Lockheimer Patenschaft: Petra Quintini |
Quellen: 1)Stadtarchiv Konstanz: Einwohnermeldekartei, Adressbücher, Manuskript Semi Moos 2)Staatsarchiv Freiburg: „Wiedergutmachungsakten“, Signatur STAF P 303/4 Nr. 590, STAF F 166/3 Nr. 4066, 4379, 6269, 7207, 7463, 7464, F 196/3 Nr. 5930 3)Bundesarchiv Gedenkbuch 4)ITS (International Tracing Service): ITS Digital Archives, Bad Arolsen. Archiv-Nr. 5192 (Deportationsliste Gestapobereich Württemberg-Baden, 1.2.1.1/11201077, 11201104; Deportationsliste Sammellager Drancy, 1.1.9.9/11188153, 11188192; Deportationsliste BDS Frankreich, 1.1.9.1/11180659, 11180669; Sterbezweitbuch des Standesamtes Auschwitz, Nr. 32951/1942, 1.1.2.1/607829) 5)Archives départementales des Pyrénées-Atlantiques, cotes 72 W 66, 72 W 270 et 72 W 296 6)Archives départementales des Bouches-du-Rhône, 142 W 32 Camp des Milles, internés: fichier de Li à R, 1940-1942, 7 W 110, Centre d’émigration de Bompard, fiches 1941-1942 7)Erich Bloch: Geschichte der Juden von Konstanz im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Dokumentation, Konstanz 1971, 3. Auflage 1996 8)Erich Bloch: Die Israelitische Gemeinde Kreuzlingen, in: Erhard Roy Wiehn (Hg.): Jüdische Gemeinde Kreuzlingen. 70 Jahre. Geschichte, Erinnerungen, Dokumente, 1939-2009, Konstanz 2009 |