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Stolpersteine Konstanz

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Frieda HOFGÄRTNER, 1908 - 1940

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Geb. 19.6.1908, HASLACH

 

eingewiesen 1917

Heilanstalt Mosbach

`verlegt` 20.9.1940

Grafeneck

ermordet 20.9.1940

`Aktion T4`

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Friedrichstr. 30 heute
(2020)

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Stolperstein für Frieda HOFGÄRTNER
verlegt am 25.9.2020

 

Frieda Hofgärtner kam am 19. Juni 1908 in Haslach im Kinzigtal zur Welt, zusammen mit ihrem Zwillingsbruder Paul.

Die Eltern waren Anna und Adolf Hofgärtner. Er war von Beruf Gipser. Die Kinder wurden evangelisch getauft. Die kleine Familie zog im Sommer des Jahres 1910 nach Konstanz in die Rauhgasse 4. Dort wurden drei weitere Kinder geboren.

 

Ein heftiger Einschnitt kam im Jahr 1916, als der zweijährige Sohn Erich an Diphtherie verstarb. Kurz darauf befasste sich das Wohlfahrtsamt mit der Situation der Familie. Dabei kam heraus, dass Frieda Ostern 1916 versuchsweise in die Volksschule aufgenommen worden war, dem Unterricht aber nicht folgen konnte. Laut Bezirksarzt war sie „an der Grenze der Bildungsfähigkeit, stark schwach­sinnig“. Ihr Zwillingsbruder war gesund, man vermutete deshalb, dass der Schwachsinn auf die Masern zurückzuführen sei, die Frieda im Alter von sechs Monaten durchgemacht hatte. Der Entwick­lungs­rückstand war aufgefallen, als Frieda zwei Jahre alt war und zu sprechen begann. Noch im Alter von acht Jahren war ihre Sprache undeutlich, aber sie hatte Sprachverständnis. Sie spielte gern mit anderen Kindern, wurde dabei aber ungeduldig, wenn sie nicht verstanden wurde. Sie wirkte dann eigensinnig und abweisend. Im Allgemeinen war sie aber gutmütig. Auffällig war nur, dass sie viel mit den Fingern spielte und diese in den Mund steckte. Im Übrigen war sie sauber und körperlich gut entwickelt. Eine geeignete Schule für sie gab es in Konstanz nicht. Die Eltern waren deshalb bereit, das Kind einer Anstalt zu übergeben. Geeignet schien die evangelische Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache im fernen Mosbach. Dort wurde sie nach einem Antragsverfahren von acht Monaten am 26. Juni 1917 aufgenommen.

 

Als sie noch zuhause war, am 20. Januar 1917, fiel ihr Vater im 1. Weltkrieg. Seine inzwischen erneut schwangere Witwe zog mit den Kindern im April 1917 in die Friedrichstr. 30.

 

Die Geburt ihrer jüngsten Schwester Anna Maria hat Frieda nicht mehr miterlebt. Diese kam im September 1917 zur Welt als Frieda schon in Mosbach war. Die Schwester Margarethe (*1912) erinnerte sich im Jahr 1983, dass Frieda geistig zurückgeblieben war und gelegentlich „in eine Ekstase“ geriet. Mehr ist über Frieda von Seiten der Familie nicht in Erfahrung zu bringen. Die Mutter starb kurz nach dem 2. Weltkrieg 1946. Inzwischen lebt auch keines ihrer Geschwister mehr.

 

Seit dem 26. Juni 1917, eine Woche nach ihrem 9. Geburtstag, lebte Frieda in der Anstalt Mosbach. Ob sie von all den Dingen, die sich danach in Konstanz zutrugen, etwas erfuhr, lässt sich nicht mehr feststellen, auch ob sie jemals Besuch von ihrer Mutter oder Geschwistern hatte und wie sich ihre Behinderung entwickelte. Wahrscheinlich hat sie einige Jahre die Mosbacher Anstaltsschule besucht und anschließend eine einfache Tätigkeit im Anstaltsleben (Hilfe beim Putzen oder in der Küche) ausgeübt. Verdient hat sie dabei nichts, aber sie war versorgt und hatte eine wichtige Aufgabe. Deshalb blieb sie zu Beginn des Zweiten Weltkrieges auch in Mosbach, als dort ein ganzes Haus für ein Reservelazarett geräumt wurde und zahlreiche Bewohner auf die 15 km entfernt liegende Abteilung Schwarzacher Hof verlegt wurden.

 

Ende 1939 schickte das Reichsinnenministerium an die Anstalt Mosbach Meldebogen. Für jede Bewohnerin und jeden Bewohner füllte der Inspektor der Anstalt einen solchen Bogen aus und schickte ihn nach Berlin zurück. Damit war auch Frieda erfasst. Später stand ihr Name auf der Liste derer, die  abtransportiert werden sollten. An drei Tagen im September 1940 fuhren in Mosbach und am Schwarzacher Hof Busse vor, in die 218 Bewohnerinnen und Bewohner verladen wurden.

 

Frieda war auf der Liste für den zweiten Transport am 17. September 1940. Tatsächlich wurde sie an diesem Tag aber nicht abtransportiert. Wahrscheinlich hatte sich der Anstaltsleiter für sie eingesetzt, weil sie zu den arbeitsfähigen Bewohnerinnen gehörte. Aus Mosbach wurden an diesem Tag 21 Bewohnerinnen und Bewohner abtransportiert. Frieda hat dies wohl miterlebt und mitbekommen, dass sie in der Folgezeit nicht wieder zurückkehrten.

 

Auch hatte es sich inzwischen herumgesprochen, dass der angekündigte Busausflug ins Neckartal eine Lüge war. Die in den beiden vorherigen Transporten abgeholten Mitbewohner waren nicht mehr zurückgekehrt und hinterließen leere Räume und leere Betten. Den Patienten und auch dem Pflegepersonal wurde immer klarer, weshalb die Menschen abgeholt wurden. In der Stadt Mosbach hieß es selbst beim Jungvolk, der Jugendorganisation der Hitlerjugend : „Da spielt sich was ab …. Die kommen durch den Schornstein.“

Am 20. September 1940 fuhren die Busse noch einmal in Mosbach vor. Jahrzehnte später berichtete eine Diakonisse des Mutterhauses in Karlsruhe-Rüppurr, was ihr die Schwestern von Mosbach über die damalige Situation an den Bussen erzählt hatten:

„Die seien an die Schwestern hingehängt und hätten geschrien: `Ich will nicht sterben, ich will nicht sterben!´ Und dann hätte die SS mit den Schwestern Krach gemacht und ihnen gesagt: `Sie haben es den Kindern gesagt!´ Und die haben ihnen aber nichts gesagt gehabt. Die Kinder haben das gespürt.“

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In diesem Schuppen wurden in Grafeneck die Opfer vergast.

© Archiv Gedenkstätte Grafeneck

 

 

An diesem Tag wurden 23 Bewohnerinnen und Bewohner des Schwarzacher Hofes in die Busse geschafft. In Mosbach mussten 30 einsteigen, unter ihnen Frieda Hofgärtner. Sie war 32 Jahre alt und hatte bis dahin 23 Jahre in der Anstalt Mosbach gelebt und gearbeitet.

 

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Zwei der berüchtigten "Grauen Busse", in denen Patienten von psychiatrischen Kliniken abgeholt und in Tötungsanstalten wie zum Beispiel Grafeneck  transportiert wurden.

© Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (Abt. 3008/1, Nr. 1014)

 

 

Am 20. September 1940 verließen die Busse mit 53 Bewohnerinnen und Bewohnern die Anstalt Mosbach. Ziel war die 160 km entfernte Vernichtungsanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb, wo Frieda Hofgärtner zusammen mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern noch am gleichen Tag vergast und eingeäschert wurde.

 

Nachdem eine Urne mit der vermeintlichen Asche von Frieda Hofgärtner jahrzehntelang unbeachtet zusammen mit annähernd 200 Urnen im Keller des Konstanzer Krema­toriums stand, wurde diese Urne im Juli 1984 an einem Mahnmal auf dem Konstanzer Hauptfriedhof bestattet. Dort findet man auf einem Stein die Initialen H.F., das Geburtsjahr 1908 und das Todesjahr 1940.

 

 

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Gedenkstätte für 182 "Euthanasie"-Opfer
Konstanz, Hauptfriedhof

 

 

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Gedenktafel für Frieda HOFGÄRTNER

hier mit den Initialen "H.F."
Gedenkstätte Konstanz, Hauptfriedhof

 

 

 

Im Jahr 2010 wurde am Eingang zur Johanneskirche in Mosbach eine Gedenktafel mit allen Namen der Getöteten aus der Anstalt Mosbach angebracht. Auch der Name Frieda Hofgärtner ist dort zu lesen.

 

 

Der Stolperstein vor ihrem letzten Wohnort in Konstanz soll von nun an ein weiteres Zeugnis ihres Lebens und ein Zeichen gegen das Vergessen sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Recherche: Hans-Werner Scheuing, Roland Didra

Patenschaft: Marie-Luise Hettinger-Hanke

Quellen:

Stadtarchiv Konstanz Einwohnermeldekarte

Archiv Johannes-Diakonie Mosbach

Hans-Werner Scheuing, „… als Menschenleben gegen Sachwerte gewogen wurden“ (S.293 ff), 2. Auflage Heidelberg 2004

Privatarchiv Didra