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Stolpersteine Konstanz

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Else (Alisa) HAYMANN   1900 - 1991

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geb. 05.02.1900, Konstanz

 

1938: Flucht nach Palästina

 

überlebt

 

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Schottenstr. 75 heute
(November 2012)

Foto: W. Mikuteit

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Stolperstein für Else Haymann

verlegt am 12.07.2011

Eltern: Jacob Haymann, Ida Haymann

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Else HAYMANN, 1941
 
Quelle:  Israelisches Staatsarchiv Jerusalem,
Einwanderungsakte Else Haymann

 

Else Haymann wurde am 5. Februar 1900 in Konstanz geboren. Sie hatte drei Geschwister. Ihr Vater Jacob Haymann starb nach Schikanen durch die Nazis 1940, ihre Mutter Ida, geb. Gallowitsch, wurde am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert; sie überlebte das Lager und starb 1956 in Uruguay.

Nach dem Besuch der Volksschule und höheren Mädchenschule (Friedrich-Luisen-Schule) studierte Else Haymann von 1917 bis 1923 an der Hochschule für Musik in Stuttgart und schloss mit dem Staatsexamen zur Diplom-Klavierlehrerin ab. Von 1925 bis 1928 nahm sie Privatunterricht bei den berühmtesten Konzertpianisten ihrer Zeit: bei Emil Frey, dem Leiter des Konservatoriums Zürich, bei Prof. Pembauer in München, bei Prof. Rehberg in Stuttgart und bei Alfred Cortot in Paris, einem der bedeutendsten und einflussreichsten Persönlichkeiten des Musiklebens des 20. Jahrhunderts.

 

Ab 1923 war sie als Pianistin in Konstanz tätig. Sie trat als Solistin und auch mit dem von ihr gegründeten Konstanzer Klaviertrio auf. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie vorwiegend aus ihrer Tätigkeit als Klavierlehrerin. 1924 trat sie mit der international bekannten Hermine Bosetti von der Münchner Staatsoper im Konstanzer Theater auf. Immer wieder gab sie auch im süddeutschen Raum Konzerte. Sie bekam hervorragende Kritiken. Das Konstanzer Volksblatt schrieb zum Beispiel am 17. Oktober 1930: Das Konzert […] von Else Haymann […] war ein wundervoller Abend. […] Das Spiel ist klar und durchsichtig, groß in der Auffassung, seelenvoll in der Gestaltung und brillant in der Technik. […] Über Mendelssohn u. Chopin kamen auch die Modernen Scarlatti, Debussy und Rachmaninow zu ihrem Recht. Während Mendelsohn, Chopin und Rachmaninow die größte geistige und körperliche Anforderung an die Künstlerin stellen und auch von dem mitgehenden Zuhörer große geistige Arbeit verlangen, sind die Werke von Gluck, Saint-Saens, Scarlatti und Debussy für das große Publikum Oasen in dem großen unbekannten Musiklande, wo sich die Seele von dem anstrengenden Fluge wieder etwas erholen kann.

Schon der Mendelssohn war im Präludium groß angelegt und in der Fuge besonders technisch glänzend durchgeführt, in der Gestaltung vielleicht der Erregung wegen noch nicht ganz frei. Pastorale u. Capriccio von Scarlatti waren duftig und schmachhaft. Den Höhepunkt des Abends aber bildete die h-Moll Sonate op. 8 von Chopin. Hier war die Künstlerin vollständig frei, alle Hemmungen waren beseitigt. Sie führte die ganze Sonate in so einheitlicher Linie und besonders das Largo in so wundervoll singender Cantilene, daß alle Zuhörer in ihrem Banne waren. Mit dem Russen Rachmaninow - der besonders temperamentvoll gespielt wurde, schloß der genußreiche Abend unter herzlichem und stürmischem Beifall der zahlreichen Besucher. […] Auf baldiges Wiederhören!“

Aufgrund des Boykotts gegen jüdische Musiker nach 1933 durfte Else Haymann nur noch vor jüdischem Publikum spielen; auch verlor sie die meisten ihrer Schüler in Konstanz. Um ihr ein bescheidenes Einkommen zu sichern, stellte die jüdische Gemeinde Konstanz sie 1933 als Organistin an.

Über ihre Konzerte berichtete die deutsche jüdische Presse wie CV-Zeitung, Jüdische Rundschau oder Jüdisch-liberale Zeitung stets ausführlich. So trat sie mehrmals in Konstanz gemeinsam mit dem Synagogenchor auf, der jetzt auch Lieder in hebräischer Sprache sang. Im Dezember 1936 trat sie mit Hermann Schey in Konstanz und auf Einladung der Gesellschaft für Kunst und Literatur auch in Kreuzlingen auf; Schey war  ein deutsch-jüdischer Sänger (Bassbariton), der durch zahllose Auftritte in den europäischen Musikzentren Berühmtheit erlangt hatte. Er wanderte 1934 in die Niederlande aus und wurde Professor am Konservatorium von Amsterdam. Während des Krieges musste er sich, weil er Jude war, vor den Deutschen verstecken.

Ihr letztes Konzert in Deutschland gab Else Haymann auf Einladung des Jüdischen Kulturbunds im Dezember 1937 in Ulm.

Der Jüdische Kulturbund wurde 1933 als Reaktion auf die Entlassungen jüdischer Künstler aus den staatlichen Kulturbetrieben in Berlin gegründet. 1935 gab es bereits mehr als 36 regionale und lokale Kulturbünde. Die Einzelbünde schlossen sich 1935 zum Reichsverband jüdischer Kulturbünde (RJK) zusammen, der vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (Dr. Josef Goebbels) kontrolliert wurde. Die Veranstaltungen der lokalen Jüdischen Kulturbünde wurden von der Gestapo überwacht.

 

Aufgrund der zunehmenden Ausgrenzung und dem Verlust ihrer Existenzgrundlage emigrierte Else Haymann Anfang März 1938 über Triest nach Palästina. „Ihre Vertreibung war für das Musikleben in Konstanz […] ein großer Verlust“, so urteilte Erich Bloch, der Chronist der Konstanzer Juden, der 1939 selbst nach Palästina emigrierte.

 

Else Haymann war vor ihrer Emigration nach Palästina eine schon bekannte Pianistin in Deutschland, denn in zwei einschlägigen Lexika, die während des Nationalsozialismus über jüdische Musiker erschienen sind, wird ihr Name erwähnt. Das gilt sowohl für das „Lexikon der Juden in der Musik“, erschienen 1940 im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP, als auch für das Lexikon „Judentum und Musik mit dem ABC jüdischer und nichtarischer Musikbeflissener“ von 1938. Welch eine Borniertheit: Jacques Offenbach, Gustav Mahler, Arnold Schönberg oder Kurt Weill als „Musikbeflissene“ zu charakterisieren.

 

Offenbar ging Haymann der Ruf einer exzellenten Pianistin voraus, denn schon kurz nach ihrer Ankunft in Palästina wurde sie von den deutsch-jüdischen Musikfreunden in Tel Aviv zu einem Konzert eingeladen. Am 24. August 1938 wurde sie Bürgerin des von den Briten verwalteten Palästina.

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Else HAYMANN, Einbürgerungsurklunde Palästina, 1941
 
Quelle:  Israelisches Staatsarchiv Jerusalem,
Einwanderungsakte Else Haymann

 

 

Bis 1988 lebte sie in Tel Aviv. Sie änderte ihren Vornamen von Else in Alisa. In den folgenden Jahren erkrankte sie an Malaria und an der Basedow-Krankheit, was das Ende ihre Karriere als Konzertpianistin zur Folge hatte. Trotzdem „fühlte sie sich in Israel schnell heimisch und glücklich“, auch wenn sie kaum Einnahmen hatte.

Anfang der 1950er Jahre gelang es ihr, sich als Klavier­lehrerin eine bescheidene Existenz aufzubauen. 1959 erstritt sie mit anwaltlicher Hilfe vom deutschen Staat eine Entschädigung auf erlittenen Verdienstausfall während der Nazizeit und eine kleine Rente.  Ihr Antrag auf eine Kur im Schwarzwald wurde 1969 abgelehnt.

 

1988 übersiedelte sie von Tel Aviv nach Ramat Gan (in der Nähe von Tel Aviv) in ein Altersheim, wo sie hochbetagt am 13. Februar 1991 starb.

 

Recherche: Petra  Quintini, Uwe Brügmann

Patenschaft: Michael Dienst

Quellen:

Staatsarchiv Freiburg, F 196/1 Nr. 4589

Israelisches Staatsarchiv Jerusalem, Einwanderungsakte Else Haymann

 

Literatur:

Erich Bloch: Geschichte der Juden von Konstanz. Rosgarten Verlag 1971

Deutsches Musiker-Lexikon, hrsg. Von Erich Müller. Dresden: Limpert 1929

Brückner, H.: Judentum und Musik mit dem ABC Jüdischer und nichtarischer Musikbeflissener. 3. Aufl. München: Bruckner, 1938

Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Bearbeitet von Dr. Theo Stengel, Referent in der Reichsmusikkammer. Berlin: Hahnfeld Verlag, 1940