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Stolpersteine Konstanz

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Alfons Beck erinnert sich an seine Widerstandsarbeit

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Nach den Wahlen, im März [1933], war es höchste Zeit, in die Illegalität zu gehen. Den genauen Zeitpunkt kann ich nicht mehr sagen, wo dann beschlossen wurde, die in Deutsch­land verhinderte Druckarbeit des Propagan­damaterials [der KPD] in die Schweiz zu verlegen. Möglicherweise dürfte das Mitte 1933 gewesen sein, bis die ganze Angele­genheit organisiert war, dass in meiner Anlauf­stelle in Konstanz monatlich ca. 1-3 Zentner eintrafen. Das war ‚Inprekorr’, das waren getarnte kleine Heftchen mit Kochrezep­ten und alles mögliche, später auch das ‚Braunbuch’.

Das Material kam immer in Zentnerladungen von der Schweiz nach Konstanz. Da die Tarnung schon ziemlich weitgehend durchge­dacht war, konnte ich die Transportkolonne, die den Transport von der Reichenau besorgte, persönlich nicht kennen. Der Transport erfolgte an einem bestimmten Tag, an dem der ehemalige Landtagsabgeordnete Böning in Konstanz eintraf und bei mir in meiner Fremdenpension als Tourist Quartier nahm. Einen Tag vor der monatlichen Ankunft Bönings war immer die Zulieferung des Materials aus der Schweiz organisiert. Die Zulieferung von der Reichenau bis in die Bodanstraße erfolgte meistens mit dem üblichen Transportmittel kleiner Leute, mit Gemüsekörben – die Reichenau ist ja eine Gemüseinsel –, mit Handwagen bei größeren Transporten und mit Brotkränzen – die Bäckerjungs trugen dort das Brot noch in Kränzen aus – oder in sonst getarnten Mitteln.

Bei mir kamen sie immer zuerst im Gang in einen Wandschrank, und Böning kam dann abends an und dann wurde die ganze Nacht nach seinem Adressenmaterial das Material in 5-Kilo-Pakete verpackt und in den nächsten Tagen wurden immer nur zwei Pakete irgend­wo auf einer Post eingeliefert. Das Restmaterial nahm Böning als Tourist mit Rucksack getarnt persönlich mit. Seine eigentlichen Ziele kannte ich nicht. Die Adressen, also die Pakete, wurden bis nach Königsberg versandt.

Der Genosse Böning wurde irgendwo auf der Strecke von Konstanz nach Karlsruhe verhaftet. Den genauen Zeitpunkt weiß ich nicht mehr. Aber damit war dann bei mir der direkte Großversand von KP-Literatur abge­schnitten. Außer diesem Materialtransport wurde diese eingefuchste Transportmöglichkeit über den Untersee und den See überhaupt, über die Hafenbucht von der Badeanstalt nach der Schweiz, wo nur eine Strecke von 200 m zu überwinden ist, auch benutzt, um irgend­welche Flüchtlinge abzutransportieren. Bei mir hat zum Beispiel ein Bekannter des SPD-Abgeordneten Großhans vier Wochen gewohnt, der auf der Flucht war, bis man ihn in die Schweiz transportieren konnte. Dann habe ich zwei Juden einige Wochen gehabt. Diese wurden, als der Transport über die altbekannten Wege nicht mehr ging, über Singen nach Ramsen an die grüne Grenze gebracht.

1937 wurde die Sache nochmal aktuell. Da wurden eine Menge Leute für das Bataillon Thälmann angeworben, und die mussten ja irgendwie illegal über die Grenze geschafft werden. Von Herosé, meinem Betrieb, wo ich dort arbeitete, waren allein drei, die sich gemeldet hatten, und die wurden auch auf diesem Weg oder direkt mit der Bahn über den Schweizer Bahnhof, eben kurz vor Abfahrt des Zuges, nach der Schweiz geschleust."

Quellen:

Käte Weick, Widerstand und Verfolgung in Singen und Umgebung. Stuttgart o.J. [1982], S. 60f.