FLUCHT 1937 Spanien Internationale Brigade SCHICKSAL UNBEKANNT |
Katzgasse 1 |
Stolperstein für Emil GÖTSCHL |
Bruder: Josef GÖTSCHL
Emil GÖTSCHL, ca. 1935 Quelle: Peter Obergfell
Emil Götschl wurde am 28.03.1920 in Konstanz geboren. Seine Eltern waren Peter Götschl und Hermine Götschl, geb. Weilhammer, die 1908 von München nach Konstanz übersiedelten.
Der Vater war Heizer beim städtischen Gaswerk. Das Ehepaar Götschl hatte neun Kinder. Ab 1929 wohnte die Familie Götschl in der Katzgasse 1. Über die Jugend von Emil Götschl ist wenig bekannt. Nur so viel weiß man, dass er in Konstanz die achtjährige Volksschule besuchte, 1934 eine Schlosserlehre begann und sich 1936 zur HJ-Fliegerstaffel meldete, um eine Ausbildung als Segelflieger zu machen. Nach dem Putsch von General Franco in Spanisch-Marokko am 17. Juli 1936 gegen die frei gewählte spanische Regierung, eine Volksfrontregierung (Frente Popular) aus Sozialisten, Kommunisten und republikanischen Parteien, hatte die Kommunistische Internationale (Komintern) im September 1936 in Moskau beschlossen, die spanische Republik durch Freiwillige, die Internationalen Brigaden, zu unterstützen. Zwecks Rekrutierung von Freiwilligen aus Deutschland richtete auch die seit 1933 verbotene KPD in zahlreichen Städten illegale „Werbestellen für Freiwillige nach Rotspanien“. Zwei solcher illegaler Anwerbestellen, wahrscheinlich kommunistische Funktionäre, gab es auch in Konstanz und Radolfzell. Anfang September 1937 verließen Emil Götschl und sein sechs Jahre älterer Bruder Josef Konstanz. Es ist anzunehmen, dass sie mit Hilfe dieser Anwerber über die Schweiz nach Paris gelangten. Die illegale Ausreise über die Schweiz organisierte, so hat die Gestapo ermittelt, ein Elsässer namens Henry Voss. In Kreuzlingen soll der Kommunist Karl König, der Gestapo bestens bekannt, die Weiterreise nach Frankreich vermittelt haben. In Paris meldeten sich die Brüder Götschl in der Zentrale der kommunistischen Partei in der Avenue Mathurin-Moreau als Freiwillige zum Kampf gegen Franco. Emil Götschl wurde angenommen, sein Bruder Josef wegen eines steifen Arms jedoch abgewiesen. Die KPF organisierte den Transport Hunderter zukünftiger Brigadisten nach Spanien. Der illegale Grenzübertritt nach Spanien war in der Frühphase des Bürgerkrieges relativ leicht zu bewerkstelligen. |
Auf einer Transportliste von Freiwilligen vom 27.9.1937 in das Ausbildungslager der XI. Brigade in Albacete (200 km südöstlich von Madrid) findet sich auch der Name Emil Götschl. Eine Transportliste von Spanienkämpfern vom 27.9.1937 führt Emil GÖTSCHL (Nr. 2) als Freiwilligen auf. Bildquelle: Dr.Werner Abel, Chemnitz
Die XI. Internationale Brigade bestand aus mehreren Bataillonen, unter denen das bekannteste das Thälmann-Bataillon war, benannt nach dem deutschen Kommunisten Ernst Thälmann, der später (1944) von den Nazis ermordet wurde. Das Thälmann-Bataillon hatte eine Stärke von 2000 bis 3000 Mann und setzte sich überwiegend aus Deutschen, Österreichern und Schweizern zusammen. Kurt Laube (KPD), der politische Kommissar in der 2. Kompanie des ebenfalls überwiegend deutschen Bataillons „Edgar André“ der XI. Internationalen Brigade, charakterisierte Emil Götschl als „politisch unorganisiert und unqualifiziert“, betonte jedoch, dass er einen „ehrlichen Eindruck“ mache. „Politisch unorganisiert und unqualifiziert“ bedeutete in diesem Zusammenhang, dass Götschl weder Mitglied der KPD noch Marxist im KPD-Sinne war. Wo und in welchen Gefechten Emil Götschl nach seiner militärischen Ausbildung eingesetzt wurde, ist nicht bekannt. Am 8.12.1939 vermerkte die Karlsruher Gestapo in ihrer Personendatei, dass Emil Götschl im „Deutschen Kriminalpolizeiblatt“, dem Fahndungsblatt der deutschen Kriminalpolizei, zur Festnahme ausgeschrieben wurde. „Vermutlich Rotspanien, jetziger Aufenthalt unbekannt“. Götschl wurde von der Gestapo gesucht, weil er zum Zeitpunkt seiner Ausreise nach Spanien gegen das „Gesetz zur Verhinderung der Teilnahme am spanischen Bürgerkrieg“ vom 18. Februar 1937 verstoßen hatte. Dieses Gesetz droht jedem, der nach Spanien wollte, eine zeitlich nicht näher definierte Gefängnisstrafe an. Wahrscheinlich ist Erwin Götschl wie Hunderte andere deutsche „Interbrigadisten“ bei den verlustreichen Gefechten gegen die weit besser gerüsteten und von Hitler und Mussolini massiv unterstützten Truppen Francos ums Leben gekommen. Denkbar ist auch, dass Emil Götschl in Gefangenschaft geraten und dort gestorben ist. Während des Krieges in Spanien kämpften 35.000 bis 40.000 Freiwillige aus mehr als 50 europäischen und überseeischen Ländern auf Seiten der Republikaner; etwa 2800 bis 3500 Interbrigadisten kamen aus Deutschland, von denen etwa 750 bis 800 den Tod auf dem Schlachtfeld fanden; die genaue Zahl lässt sich nicht ermitteln. Von vielen deutschen Kämpfern kennt man weder den Namen – nicht wenige hatten einen Decknamen - noch weiß man, wo sie den Tod fanden bzw. wo sie beerdigt wurden. Da die Kämpfer der Internationalen Brigaden (wie auch die der regulären spanischen Armee) keine Erkennungsmarken trugen, konnten sie auch nicht identifiziert werden. Im Spanischen heißen diese unbekannten gefallenen Soldaten „Paradero desconocido“ (Verbleib unbekannt). Wahrscheinlich war auch Emil Götschl einer dieser unbekannten Gefallenen. Emil Götschls Biografie konnte, wenn auch nur schemenhaft, dem Dunkel des Vergessens entrissen werden. Der Stolperstein für Emil Götschl möge stellvertretend an die vielen Männer (und Frauen) erinnern, die in Spanien ihr Leben für Freiheit und Demokratie gaben.
Recherche: Uwe Brügmann Patenschaft: Dagmar Schmieder |
Quellen: Bundesarchiv Berlin, Gestapo-Karte, Signatur R 58/9680 Stadtarchiv Konstanz Staatsarchiv Freiburg, D 81/1, Nr. 532 Dr. Werner Abel, Freiberg/Sachsen, hat freundlicherweise Dokumente zum Spanischen Bürgerkrieg aus dem Komintern-Archiv im Russischen Staatsarchiv für sozio-politische Geschichte (RGASPI), Moskau, zur Verfügung gestellt. Antony Beevor, Der Spanische Bürgerkrieg. München: Goldmann Verlag, 2008 Michael Uhl, Mythos Spanien. Das Erbe der Internationalen Brigaden in der DDR. Berlin: Dietz Verl., 2004 Privatarchiv Peter Obergfell |