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Stolpersteine Konstanz

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Berta AMANN, geb. Winterhalder, 1898 - 1941

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EINGEWIESEN 1934

HEILANSTALT REICHENAU

ZWANGSSTERILISIERT 1935

‚VERLEGT‘ 2.4.1941

HADAMAR

ERMORDET 2.4.1941

‚AKTION T4‘

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Tägermoosstraße 23 heute
(2018)

 
Foto: © Wolfram  Mikuteit

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Stolperstein für Berta AMANN
verlegt am 9.7.2018
Foto: © Wolfram  Mikuteit

 

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Berta AMANN (stehend)
mit ihrer Schwester Helene
(Foto ca. 1918)

Bild: Privatarchiv Banholzer

 

 

Berta Amann, geb. Winterhalder, wurde am 29. November 1898 in Neustadt im Schwarzwald geboren und katholisch getauft. Ihre Eltern waren der bekannte Schwarzwälder Uhrenfabrikant Johann Winterhalder und Luise Winter­halder (geb. Ullmann).

 

Berta besuchte die Volksschule in Neustadt. Das Lernen fiel ihr leicht und sie erhielt immer sehr gute Noten. Im Jahr 1913 beendete sie die Realschule Neustadt mit einem hervorragenden Abschlusszeugnis. Danach besuchte sie das „Töchter Institut Theresianum“ in Ingenbohl am Vierwald­stätter See. Neben der Ausbildung in Haushalts­kunde machte sie dort im Juli 1917 ihren Abschluss als Industriekauffrau. Bis zum Jahr 1920 hatte sie eine  Anstellung in Leibstadt im Kanton Aargau. Danach schickte sie ihr Vater nach Konstanz, wo sie sich um den Vertrieb der Schwarzwälder Uhren der väterlichen Fabrik kümmern sollte. Dort lernte sie den Buchhalter Otto  Amann kennen; die beiden verliebten sich und heirateten im Jahr 1924 in der Barockkirche Birnau.

 

Ein Jahr später, am 10. Februar 1925, kam ihre Tochter Rosemarie zur Welt. Die kleine Familie lebte bis ins Jahr 1932 in Konstanz in der Tägermoosstraße 23. Eine folgenschwere Lebensveränderung ereignete sich ein Jahr später, nachdem die Familie nach Allensbach gezogen war: Berta erkrankte seelisch und verfiel in Depressionen.

 

Die  mittlerweile 36-jährige Frau wurde am 15. Juli 1934 in die Heil- und Pflegeanstalt Reichenau eingewiesen und verblieb dort, mit zwei kurzen Unterbrechungen, bis zum 17. Dezember 1940.

 

Ein halbes Jahr vor der Einweisung trat am 1. Januar 1934 das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Darauf basierend stellte der stellvertretende Anstaltsleiter Dr. Kühne am 1. August 1934 den Antrag zur „Unfrucht­bar­machung“. Begründet wurde dies mit der diagnostizierten Erbkrankheit Schizophrenie.

 

Das Erbgesundheitsgericht beschloss daraufhin, am 27. August 1934, die Durchführung der Sterilisation. Unter­zeichnet wurde das Schriftstück u.a. von Dr. Rechberg. Er war Beisitzer des Erbgesundheitsgerichts und gleich­zeitig Leiter des Gesundheitsamts Konstanz und für über 1 000 Zwangssterilisationen verantwortlich. Der Eingriff wurde ein halbes Jahr später, am 6. Februar 1935, in der städtischen Frauenklinik Konstanz in der Friedrichstraße 23 vollzogen.

 

Was dieser Eingriff für die 36-jährige Frau Amann bedeutete, lässt sich heute nur erahnen. Dieser brutale Eingriff, der dauerhafte Verbleib in der Anstalt Reichenau, der Verlust ihrer Familie und vor allem die Trennung von ihrer geliebten Tochter, verschlimmerten ihren Gemütszustand sicher wesentlich.

Die 9-jährige  Rosemarie blieb bei ihrem Vater und radelte Woche um Woche zur Anstalt Reichenau, wo ihre Mutter ihr bei den Hausaufgaben half und ihr das Stricken beibrachte. Sie empfand ihre Mutter als vollkommen normal und konnte diese für sie so schreckliche Situation nicht verstehen.

 

Im Jahr 1940 war die Mordmaschinerie der "Aktion T4" in vollem Gange. Über 10 000 Menschen waren bis Ende 1940 nach Grafeneck deportiert und dort ermordet wurden, davon über 500 von der Anstalt Reichenau. Warum die inzwischen 42-jährige Berta Amann bis dahin verschont blieb, wird ein Geheimnis bleiben. Die Nationalsozialisten schlossen Ende 1940 die Tötungsanstalt Grafeneck. Es hatte sich inzwischen längst herum gesprochen, dass die Menschen, die dorthin gebracht wurden, nie wieder zurückkehrten.

 

Berta Amann wurde am 17. Dezember 1940 in die Anstalt Wiesloch verbracht. Wiesloch fungierte 1941 als Zwischenanstalt für die Tötungsanstalt Hadamar in Hessen. Patienten aus anderen Anstalten wurden gesammelt und bald darauf nach Hadamar deportiert. Frau Amann wurde am 2. April 1941 mit weiteren 78 Patienten in die Tötungsanstalt gebracht und am selben Tag, in der im Keller der Anstalt befindlichen Gaskammer ermordet.

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Im Sterbebuch der Tötungsanstalt Hadamar
sind Todesdatum und Todesursache für Berta AMANN
zur Täuschung falsch angegeben

Quelle: Staatsarchiv Freiburg B822/3 Nr.401und B132/1 Nr.523

 

 

 

Das offiziell mitgeteilte Todesdatum, der 15.4.1941, und die angebliche Todesursache „Thrombose mit anschliessen­der Embolie“ wurden bewusst falsch angegeben, um Angehörige und Behörden zu täuschen.

 

 

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Mitteilung der Tötungsanstalt Hadamar
an den Mann von Berta AMANN.
Auch hier werden die Todesumstände vollkommen verschleiert.

Quelle: Staatsarchiv Freiburg B822/3 Nr.401und B132/1 Nr.523

 

 

Rede der Tochter, Rosemarie Banholzer, bei der Verlegung des Stolpersteins für Berta AMANN

 

 

Recherche: Roland Didra

Patenschaft:  Karin und Roland Bueb

Quellen:

Gedenkstätte Hadamar

Staatsarchiv Freiburg B822/3 Nr.401und B132/1 Nr.523

Transportliste 17.12.1940 Reichenau nach Wiesloch

Privatarchiv Didra